
Hans-Christian Richter
Referent für Berufsbildende Schulen / Fachakademien für Sozialpädagogik
Obersudienrat i. K.
Unterbrechung, die weiterführt: Religionsunterricht an beruflichen Schulen
Manchmal läuft der Alltag wie am Fließband: Stundenplan, Werkstatt, Prüfungen – und am nächsten Tag wieder dasselbe. Und mittendrin: eine Stunde Religionsunterricht. Viele fragen sich: Passt das überhaupt hierher?
Johann Baptist Metz gibt darauf eine überraschend kurze Antwort: „Die kürzeste Definition von Religion ist die Unterbrechung.“ Genau das ist der Religionsunterricht: eine kleine, bewusste Unterbrechung im Alltag. Ein Augenblick, der den Blick weitet im Austausch mit anderen und neue Perspektiven schenkt auf das Leben und die Welt: Wo komme ich her? Wo will ich hin? Wofür lohnt es sich, morgens aufzustehen?
Der Lehrplan für die katholische Religionslehre an beruflichen Schulen in Bayern betont: „Die Aufgabe der Berufsschule und Berufsfachschule konkretisiert sich in den Zielen, […] die Fähigkeit und Bereitschaft zu fördern, bei der individuellen Lebensgestaltung und im öffentlichen Leben verantwortungsbewusst zu handeln.“ (LP, S. 5) Dieses Fach hat den Anspruch, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern Leben zu deuten – und genau das macht es so wertvoll, gerade an beruflichen Schulen.
Katholischer Religionsunterricht hat dabei verschiedene Kompetenzen im Blick, die zusammen ins Handeln, in den Alltag und das Leben der Schülerinnen und Schüler münden:
Fachkompetenz
Fachkompetenz im Religionsunterricht – das klingt zunächst nach Wissen über Bibel, Sakramente oder kirchliche Rituale. Aber eigentlich geht es um viel mehr: um neugierig sein, verstehen und hinterfragen. Wer hier lernt, die großen Fragen des Lebens ernst zu nehmen, erkennt, dass Fachwissen kein trockener Stoff ist, sondern ein Werkzeug, um den eigenen Alltag zu deuten.
Selbstkompetenz
Selbstkompetenz heißt, sich selbst zu kennen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Im Religionsunterricht bekommen Schülerinnen und Schüler genau dafür Raum. Hier darf man reflektieren, zweifeln, staunen und manchmal auch Fehler machen – ohne dass gleich die Welt untergeht. Es ist der Moment, in dem man innehalten kann, die eigenen Gedanken sortiert und sich fragt: „Was ist mir wirklich wichtig?“
Sozialkompetenz
Wenn Fachkompetenz den Kopf und Selbstkompetenz das Herz betrifft, dann ist Sozialkompetenz die Fähigkeit, miteinander umzugehen. Im Religionsunterricht heißt das: zuhören, verstehen, miteinander lachen, streiten und wieder versöhnen. Schülerinnen und Schüler erfahren, dass Beziehungen tragen – zu anderen, zu sich selbst und vielleicht auch zu etwas Größerem – zu Gott. Sozialkompetenz bedeutet, Konflikte zu erkennen und zu lösen, im Team zu arbeiten und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Wer das übt, merkt schnell: Zusammen geht vieles leichter, und manchmal macht es sogar richtig Spaß.
Handlungskompetenz
Und dann passiert das Schöne: Aus Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz entsteht der Flow, der im Lehrplan mit Handlungskompetenz betitelt wird. Die Fähigkeit, das Gelernte ins Leben zu bringen, zu reflektieren, Entscheidungen zu treffen und aktiv zu handeln. Religionsunterricht ist genau dafür der perfekte Ort. Er gibt Raum, Erfahrungen zu machen, Fragen zu stellen und Werte zu leben. Und am Ende merken die jungen Menschen: Es geht nicht darum, alles perfekt zu können, sondern darum, das Leben bewusst zu gestalten.
Gerade in einer Schule, in der es um Ausbildung, Zukunft und Beruf geht, passt das perfekt. Der Religionsunterricht ist die Unterbrechung, die weiterführt. Er schafft Raum für die Fragen, die sonst untergehen – und das ist alles andere als Luxus.
Berufsbildende Schulen sind Orte der Zukunft: Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fach- und Berufsoberschulen, Fachakademien. Hier lernen junge Menschen, wie sie ihren Beruf gut ausüben. Lehrerinnen und Lehrer im Religionsunterricht sorgen dafür, dass sie dabei nicht vergessen, wie man das Leben gut gestaltet.
Das Wort von Metz von der „Unterbrechung“ bringt es auf den Punkt: Der Religionsunterricht ist diese Unterbrechung –notwendig in einer getriebenen Zeit auch wenn das manchmal unbequem erscheint, lohnt es sich auf die Unterbrechung einzulassen, um eine neue Perspektive zu gewinnen. Aber genau deshalb macht er den Unterschied.
Oberstudienrat i. K. Hans-Christian Richter
Zitate aus:
https://www.isb.bayern.de/fileadmin/user_upload/Berufliche_Schulen/Berufsschule/Fachlehrplan/bs_lp_katholische_religionslehre.pdf (letzter Aufruf: 05.09.2025), zitiert als: LP mit Verweis auf Seitenzahl.
Referent für Berufsbildende Schulen / Fachakademien für Sozialpädagogik
Obersudienrat i. K.
Fachmitarbeiterin Berufliche Schulen
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