Nachruf

Mit dem Tod von Hw. Herrn Domkapitular i. R. Prälat Andreas Baur verliert das Bistum Augsburg eine Leitperson, die über Jahrzehnte hinweg die Religionspädagogik weit über unsere Diözese hinaus geprägt hat. Prälat Baur leitete das damalige Schulreferat von 1981 bis 1992 und begründete im Jahre 1982 – also vor 30 Jahren – auch unsere religionspädagogische Zeitschrift „Kontakt“.

Die Predigt beim Requiem für Prälat Baur zeichnet sein Lebensbild nach. Wir wollen im Gebet des um unser Bistum sehr verdienten Verstorbenen gedenken und ihn der ewigen Fürsorge und Liebe Gottes anvertrauen!

Zugänge zum Glauben eröffnen
Predigt von Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger beim Requiem für Prälat Andreas Baur am 29. November 2012 im Hohen Dom in Augsburg

Wir nehmen Abschied von unserem Mitbruder im Domkapitel Prälat Andreas Baur. Er ist nach Tagen des Kräfte zehrenden Ringens erlöst worden, heimgegangen zum Vater der Barmherzigkeit, in der gläubigen Gewissheit, den für ihn bestimmten Platz zu finden und Anteil zu erhalten an der Fülle des Lebens bei Gott. Den Angehörigen unseres Mitbruders, namentlich seiner Schwester und seiner Hausfrau, die ihn über mehr als fünfzig Jahre bestens betreut, versorgt und begleitet hat, gilt unsere herzliche Anteilnahme. Wir sind mit Ihnen verbunden in der Trauer um einen lieben Menschen und in der Hoffnung auf ein Wiedersehen in der Herrlichkeit des Herrn.

Dieses Ziel bei Gott zu erreichen und anderen den Glaubensweg dorthin zu eröffnen: darin sah er seinen persönlichen Lebensauftrag, dafür wurde er Priester, dafür schrieb er eine Vielzahl religionspädagogischer Aufsätze und Bücher, Schulbücher zumeist für Kinder und Jugendliche. Wie selbstverständlich trug dann auch die in Donauwörth erschienene Festschrift zu seinem 70. Geburtstag den Titel „Das Religionsbuch“ und den Untertitel „Zugänge zum Glauben“.

Prälat Andreas Baur wurde 1921 in Augsburg geboren, in Hettenbach, darauf legte er Wert! In Augsburg besuchte er die Oberrealschule, das heutige Holbein-Gymnasium.

Einen fünfjährigen Kriegsdienst leistete er bei Funkern im Raum von Paris ab. Darum sprach er fließend und elegant Französisch. Die prägenden Erfahrungen dieser Zeit bestärkten seine Entscheidung für den Priesterberuf. Er studierte in Dillingen und München und wurde 1951 zum Priester geweiht. Am Pfingsttag 1951 feierte er seine Primiz in Augsburg, St. Josef. Er kam nach Donauwörth, war dort Benefiziat, bekannt und beliebt in der Parkstadt und sieben Jahre lang hauptamtlicher Religionslehrer am Gymnasium. Neudeutschland, Heliand, Pfadfinderinnen St. Georg: Die Arbeit für die Jugendverbände und mit den Jugendlichen begeisterte ihn, und er nennt diese Jahre im Rückblick eine besonders glückliche Zeit.

1964 wurde ihm die religionspädagogische Fortbildung der Lehrkräfte in allen Landkreisen des Bistums übertragen; große vormittägige Lehrerkonferenzen waren von Dinkelsbühl bis Lindau abzuhalten. 1976 wurde er als Ordinariatsrat nach Augsburg an die Seite des damaligen Schulreferenten Alfons Hildebrand geholt, dem er 1981 als Schulreferent und Domkapitular nachfolgte. In diese Jahre fiel die Gründung des Religionspädagogischen Seminars, eines Aus- und Fortbildungsinstituts vornehmlich für Religionslehrerinnen und Religionslehrer im Kirchendienst und für staatliche Religionslehrkräfte an Grund- und Mittelschulen. Zum Schulreferat gehörte auch die Beratungsstelle für Katechese und Psychotherapie, die sich auch des Förderschulbereichs annahm. Als Schulreferent war er Mitglied im Vorstand des Schulwerks der Diözese Augsburg und geistlicher Begleiter vieler Veranstaltungen; hier zeigte sich seine besondere Zuneigung zur Muttergottes von Mariazell und zum heiligen Franziskus, dessen – was viele nicht wissen – Drittem Orden er angehörte.

Wie Domkapitular Baur im großen Stil Autor von schulischen Religionsbüchern wurde, erzählt er selbst in einer bemerkenswerten Geschichte: Am Rande des Katechetischen Kongresses 1971 in Rom gab es eine Ausstellung religionspädagogischer Bücher und Bilder aus aller Welt. Am österreichischen Stand kam gerade Bischof Dr. Josef Stimpfle vorbei, und Andreas Baur sagte zu ihm: „Diese österreichischen Glaubensbücher enthalten im Gegensatz zu den deutschen, die unsere Religionslehrer nicht mögen, auch Lieder, Geschichten und Bilder. Es sind katholische Bücher in deutscher Sprache – aber es ist unmöglich, dass wir sie in Bayern einführen dürfen.“ Die Antwort des Bischofs war: „Probier’s doch!“ Das führte dazu, dass der Auer-Verlag die Lizenz der Bücher von Albert Höfer erwarb, Andreas Baur sie für Deutschland adaptierte und so mit einem Schlag Volksschulreligionsbücher von Klasse drei bis acht herausbringen konnte. Dem Buch „Unterwegs 9/10“ war ein großer Erfolg im deutschsprachigen Raum beschieden, ebenso dem Titel „Ich bin da“ sowie dem „Religionsbuch für die Hauptschule“. Vor allem begann die auch von Kardinal Franz Hengsbach unterstützte Arbeit an den Schulkatechismen „Botschaft des Glaubens“, „Mein Glaubensbuch“ und „Worte und Wege zum Leben“, die alle weite Verbreitung fanden.

Mit „seinen“ Religionslehrern wollte Domkapitular Baur nicht nur bei Konferenzen oder Unterrichtsbesuchen zusammenkommen; wie es seiner Art entsprach, brauchte es auch ein schriftliches Medium. So förderte er die Gründung von KONTAKT, einem Mitteilungsblatt für Religionslehrkräfte im Bistum Augsburg. Mut machen wollte er den Kolleginnen und Kollegen; angesichts scheinbarer Erfolglosigkeiten sollten sie nicht den Weg in die Resignation gehen, sondern immer wieder neu aufbrechen.

Dabei wusste er nur zu gut um die menschlichen Begrenztheiten und die Unwägbarkeiten des schulischen Alltags. Nemo ultra posse tenetur, würde er hier entlastend einwerfen, niemand sei über sein Können hinaus verpflichtet, aber er würde auch darauf hinweisen, dass der mutige Einsatz immer noch lohnt: Quantum potes, tantum aude – Was du kannst, das sollst du wagen! Diese Zeile aus dem eucharistischen Hymnus „Lauda Sion“ des Thomas von Aquin wollte er als Motto jeder Nummer von Kontakt mitgegeben wissen. Quantum potes, tantum aude, so könnte auch das persönliche Lebensmotto des Schulreferenten Andreas Baur gelautet haben. Viel zu wagen, war ihm möglich, weil er viel konnte: Seine unzweifelhafte Fachkompetenz, erworben durch langjährige Unterrichtstätigkeit am Gymnasium, und seine präzise Kenntnis der Volksschulsituation durch die Arbeit an Lehrplänen und Religionsbüchern sowie in der Lehrerfortbildung haben ihm bei den Lehrkräften hohes Ansehen eingetragen. Er hatte ein sicheres Gespür für das „Machbare“ in der Schule, das oft genug zum „Wünschenswerten“ in Spannung steht, und lief deshalb nie Gefahr, religionspädagogischen Illusionen nachzuhängen und die Lehrkräfte mit überzogenen Erwartungen heimzusuchen. Verständnisvoll, nahezu väterlich widmete er sich Lehrkräften in problematischen persönlichen Situationen, während er andererseits konsequent darauf bedacht war, Gleichbehandlung als besondere Tugend einer Verwaltungseinrichtung auszuweisen.

Mit seiner charmanten und herzlichen Art war es ihm gegeben, die zahllosen Gespräche, etwa mit Vertretern der staatlichen Schulverwaltung auch in schwierigen Fällen zu konstruktiven, erfreulichen Ergebnissen zu führen. Er beeindruckte alle Gesprächspartner durch sein phänomenales Gedächtnis, seine tief- und hintergründigen Formulierungen und seinen wohl unerschöpflichen Zitatenschatz. „Ich traue dir zu“, schrieb der Religionspädagoge und Schriftsteller Josef Quadflieg in einem Brief an Andreas Baur, „auch heute noch jederzeit mühelos einen gutsitzenden, liebenswerten Schüttelreim auf Gregor von Nazyanz oder einen bissigen, aber nicht minder formvollendeten auf Jutta Ditfurth aus dem Ärmel zu zaubern“. Er war ein „Mann des Wortes“, des schnell – meistens stenografisch – geschriebenen, gleichwohl druckreifen Textes, stilistisch gewandt und theologisch fundiert.

Domkapitular Baur kam schon in jungen Jahren wie selbstverständlich zum Schreiben. Zunächst waren es Märchen, später Zeitschriftenartikel, schließlich sein erstes Buch „Unser Pfad und Gottes Reich“, eine Übersetzung aus dem Französischen für die Pfadfinderinnenschaft St. Georg, deren Bundeskaplan er war. Gelegentlich schrieb er unter dem Pseudonym Heinrich Hartmann, den er einen „in seiner Zeit unbekannten katholischen Autor“ nannte. 1957 kam Andreas Baurs Hinwendung zum Schulbuch; mit Fritz Bauer, Alfred Läpple u. a. verfasste er „Christus, die Wahrheit“ und „Christus, das Leben“. Das Religionsbuch ließ ihn von da an nie mehr los.

Wie viele Kinder mögen es sein, die mit Hilfe seiner Bücher Zugänge zum Glauben der Kirche gefunden haben, und wie vielen Lehrkräften hat er geholfen, das eigentlich Unsagbare kindgemäß zur Sprache zu bringen! Als Religionsbuch-Autor hat Andreas Baur eine Wirkung erzielt, die in Deutschland ohne Beispiel sein dürfte. Mit solchen Qualitäten war er ein Vorbild auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schulreferat. Er förderte die Schulseelsorge, akzentuierte die Bedeutung der Missio canonica, verbesserte die Personalversorgung des Religionsunterrichts, führte selbst zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen und Unterrichtsbesuche durch, entwarf Unterrichtshilfen und setzte sich sehr für die Realisierung der diözesanen Franz-von-Assisi-Volksschule ein.

„Wir sind nicht Herren eures Glaubens, sondern Diener eurer Freude“ (2 Kor 1,24). Dieses Wort des heiligen Paulus kennzeichnet das Selbstverständnis des Priesters, Lehrers und Schulreferenten Andreas Baur. Die Lehrerschaft aller Schularten sah er als Teil der Gesellschaft und meinte scherzhaft, sie nicht wie mit einem „katholischen Nürnberger Trichter“ auf die immer wünschenswerte katholische Füllung bringen zu können: „Es bleibt immer gewiss“, schrieb er, „dass Glaube, Hoffnung und Liebe göttliche Tugenden sind, die weder curricular programmierbar sind noch kirchlich erzeugbar. Wir müssen das Unsere, vor allem aber muss Gott das Seine tun. Er ist und bleibt, Gott sei Dank, der Herr der Kirche“.

Die Frage, ob man auch heute noch „gerne“ Religionslehrer sein und werden könne, beantwortete er so: „Das Standhalten, die Stärke, die lebenslange Unverdrossenheit, die einer braucht, kommt letztlich nicht aus eigenem Vermögen, sondern aus der Freude am Herrn (Neh 8,10), aus der Freundschaft und Weggefährtenschaft mit Jesus Christus, der arm wurde, um uns Menschen reich zu machen (2 Kor 8,9). Das ist die Quelle, die uns ermöglicht, immer wieder und vielleicht auch unter Kummer zu sagen: ja, Herr, gern, und mit dir“.

„Ja, Herr, gern, und mit dir“ – so ist Prälat Baur auch seinen eigenen, zunehmend beschwerlichen Weg zu Ende gegangen. Er sah sich in der Gewissheit verankert: „Was immer sein mag und geschieht – Gott ist gut. Er hat seinen Sohn nicht verschont, sondern für uns dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Er ist die erbarmende Liebe. Nichts – außer ich selbst – könnte mich seiner Hand entziehen; und selbst das gelänge mir niemals ganz“. Dann schreibt Andreas Baur weiter: „In der gelassenen Geborgenheit in Gottes Liebe könnte neu das Feuer des Glaubens aufleuchten auch für andere. Wir können keine ‚Weitergabe‘ machen, kein ‚Zeugnis‘ provozieren; keine ‚Deutung‘ glaubhaft machen, keine Gläubigkeit im andern erwecken. Der Glauben schenkt und weitergibt, ist immer nur Gott selbst, in Christus unserem Herrn. Er schenkt das Wollen und das Vollbringen – und ich kann, wenn er will, anderen Anlass zum Fragen und zum Vertrauen werden“.

Andreas Baur hat vielen Anlass zum Fragen, zum Glauben und zum Vertrauen gegeben in der Erfüllung der großen Aufgabe, der er sein Leben verschrieben hat: Zugänge zum Glauben zu eröffnen. Wir bitten und beten, dass der Herr seinem treuenDiener Andreas nun den Zugang zu seinem Reich eröffne und ihn heimnehme in jene Freude, die kein Ende haben wird.