Wir trauern um Herrn Franz Schneider, Studiendirektor i. R., unseren hochgeschätzten ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten. Franz Schneider war in unserer Abteilung über 30 Jahre lang als Referent für Berufsbildende Schulen tätig. Er verstarb am 8. November überraschend im Alter von 74 Jahren.
Nachruf von Bernhard Rößner, Leiter der Abteilung Schule und Religionsunterricht, bei der Beisetzung am 14. November 2012 in Augsburg - Heilig Geist
Von Blaise Pascal (1623-1662), der als Theologe, Philosoph und Naturwissenschaftler zutiefst mit der Zerrissenheit des Menschen vertraut war, gibt es einen Sinnspruch aus seinen „Pensées“, der mir sehr teuer ist: Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen. Unser Kollege Herr Studiendirektor Franz Schneider hat beileibe nicht „Bruchstücke“ hinterlassen, er hat eine Menge auf den Weg gebracht, zu Ende geführt, doch er hatte noch viele Pläne – er bewahrte seinem Leben auch im Ruhestandsalter „offene Ränder“. Vor wenigen Wochen durfte ich bei einer Diözesanratssitzung in Augsburg ein sehr heiteres Gespräch mit ihm führen; dazwischen liegt heute ein Riss, den wir alle spüren.
Herr Schneider, 1938 in Augsburg geboren, war Religionslehrer und Seminarlehrer
aus Berufung und innerer Freude. Erlernt hat er zunächst das Handwerk eines Mühlenbauers, bevor er ab 1958 im Rahmen des Zweiten Bildungsweges die Hochschulreife erwarb und von 1963-68 Katholische Theologie in Dillingen und Innsbruck studierte. Ab 1968 war er als Religionslehrer im Schuldienst der Stadt
Augsburg tätig, nach einem Zusatzstudium der Fächer Deutsch, Sozialkunde und Geschichte als städtischer Beamter im höheren Lehramt an beruflichen Schulen; die Berufswelt kannte er aus eigenem und ihn prägendem Erleben.
Die Schülerinnen und Schüler, besser die jungen Menschen, standen für ihn im Mittelpunkt. Sie sollten – gerade in den Bereichen der Wirtschaft – ein festes, widerstandsfähiges und auch im Glauben begründetes Selbstwertgefühl entwickeln
und sich nicht als bloße Funktionsträger im beruflichen Getriebe verstehen; von Lebensperspektive und -sinn sollten sie in seinem Religionsunterricht erfahren, von zupackender Lebensfreude. Besonders kümmerte sich Herr Schneider um Jugendliche, die mit Arbeitslosigkeit, Lebens- und Ausbildungsbrüchen zu kämpfen hatten (z. B. Engagement für den Bischöflichen Hilfsfonds „Chancen für Arbeit – berufliche Starthilfen für benachteiligte Jugendliche“).
Seine schulische Heimat fand er an der Städtischen Berufsschule VII in Augsburg; dort war er 1978 Ausbildungslehrer am staatlichen Seminar (Südbayern) für das Lehramt im Fach Katholische Religionslehre geworden. Neben seinem Schulunterricht und seiner Seminarlehrertätigkeit wirkte er in der bischöflichen Schulabteilung mehr als drei Jahrzehnte mit leidenschaftlichem Engagement. Seit 1970 war er freier Mitarbeiter der Schulabteilung, ehrenamtlich und mit Begeisterung, ab 1996 Referent für Berufsbildende Schulen. Für ihn wurde während der Amtszeit meines Vorgängers OStD i. R. Ludwig Rendle erstmalig in unserem Bistum diese Stelle eingerichtet, auch aus Ausdruck dafür, welchen Stellenwert diese Schulart durch das Wirken von Herrn Schneider gewonnen hatte.
Seine größten Verdienste seien in wenigen Stichworten umrissen:
- Neugestaltung des Fortbildungswesens für Berufsbildende Schulen in unserem Bistum (z. B. Distriktskonferenzen, Jahrestagung in St. Ottilien)
- Einrichtung eines diözesanen Seminars für RL im Kirchendienst – bis heute einzigartig in Bayern
- Weitere Wirkungsfelder, die weit über die Diözese hinausreichen: Mitglied dreier Lehrplankommissionen, Mitarbeiter einer Grundlagenkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Mitgestalter des Berufsschulsymposions für den deutschsprachigen Raum, Mitglied der sog. Curriculumkonferenz des Religionspädagogischen Zentrums in Bayern (RPZ), Fortbildungsreferent am Institut für Lehrerfortbildung Gars a. Inn (auch Tätigkeit im Planungsbeirat des Instituts), Verfasser von Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien (insbesondere im Zusammenwirken mit dem RPZ), Vorsitzender der Fachgruppe Religion des „Verbandes der Lehrer an Beruflichen Schulen“ (VLB).
- Daneben vielfältige ehrenamtliche Aufgaben, vor allem in der Pfarrgemeinde und im Diözesanrat. In seinem langjährigen Wirken setzte Herr Schneider bleibende Maßstäbe für das berufliche Schulwesen insbesondere im
Bistum Augsburg und in Bayern. Er hat den Religionsunterricht entscheidend mitgeprägt, weiterentwickelt und fast die gesamte Generation der über 40-jährigen Religionslehrkräfte an beruflichen Schulen im staatlichen und kirchlichen Dienst
in unserer Diözese ausgebildet.
Prälat Ernst Blöckl, früherer Leiter des Katholischen Schulkommissariats in Bayern, verlieh Herrn Schneider sogar einmal den ehrenden Titel eines „Berufsschulpapstes“.
Im Kern und vor allem: Herr Schneider war für seine Kolleginnen und Kollegen Vorbild und fachliche Autorität, Mentor und Freund. Als tief im Glauben verwurzelter und weltzugewandter Christ, für den das 2. Vaticanum Orientierung war, sah er Lehrkräfte wie Schüler immer als Persönlichkeiten. Durch seine wertschätzende und auch gesellige Art vermochte er über unterschiedliche Positionen hinweg „Beziehungsbrücken“ zu bauen, welche die gemeinsame Arbeit für sein Lebensprojekt, den Religionsunterricht an beruflichen Schulen, elanvoll voranbrachten. Für seine Verdienste wurde ihm im Jahr 2004 die
Ulrichsmedaille unserer Diözese verliehen.
Im gleichen Jahr schrieb er anlässlich seiner Pensionierung ganz persönliche Abschiedsworte im damaligen Kontakt-Heft (1/2004, S. 47): „… ich bin überzeugt, wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler spüren lassen, dass wir sie mögen, dann bewirkt unser Unterricht etwas bei ihnen.“ – Er mochte auch seine Kolleginnen und Kollegen, und gerade deshalb haben sich
so viele zu seinem Begräbnis eingefunden, um ihm ihre dankbare Verbundenheit zu erweisen und ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten.
Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen. – Diese von Blaise Pascal erspürte Vollendung wünschen wir unserem verstorbenen und um den Religionsunterricht überaus verdienten Kollegen, der sich Gott in seinem Tod ganz überlassen hat; diese Glaubensgewissheit stärke aber auch die Angehörigen und alle Trauernden – dass sich die Bruchstücke dieser schweren Tage in Gott neu verbinden.