Jahrestagung der RL an Berufsbildenden Schulen 2016 in St. Ottilien
Wunder – der Bibel liebstes Kind. Verständnis für’s Unglaubliche
Die Bibel als komplexes, über Jahrhunderte verfasstes und redigiertes Zeugnis unserer Glaubensgemeinschaft: Mit dieser Beschreibung ist die Steilvorlage für die diesjährige Jahrestagung in St. Ottilien gegeben. Denn für die Arbeit mit der Bibel an den Schulen bedeuten die genannten Charakteristika Reduktionen, Elementarisierungen sowie die Suche nach Chancen der didaktischen Umsetzung. Um das leisten zu können, ist eine fundierte fortlaufende exegetische und hermeneutische (Weiter-) Bildung unerlässlich. Erst wenn die Lehrkraft weiß, worum es bei einem bestimmtem Bibeltext bzw. einer ganzen Gattung geht, kann sie das tägliche „Feintuning“ für die Schüler/-innen leisten.
Das am Genre der Wundererzählungen zu leisten, ist eine Herausforderung, denn genau an diesem Thema entzünden sich in den Klassen allseits bekannte Diskussionen (z.B. zur Glaubwürdigkeit der Überlieferung). Prof. Dr. Steins (Professur für Biblische Theologie: Exegese des Alten Testaments an der Universität Osnabrück) hat dankenswerterweise den weiten Weg quer durch das Land nach St. Ottilien auf sich genommen, um daran intensiv und mit höchster Expertise mit uns zu arbeiten: Eine seiner Maxime lautet, dass im Zentrum der Elementarisierung die Gestalt und Funktion eines Textes innerhalb des Kanon sowie seine Verbindung zur Glaubensgemeinschaft stehen müssen, er nicht als Einzelerscheinung quasi losgelöst von seinen kontextuellen Bezügen gelesen werden kann. Das er-scheint auf den ersten Blick als selbstverständlich, eröffnet zugleich jedoch weiterführende Perspektiven. „Wunder“-Texte in großen Zusammenhängen sehen, alttestamentarisch zu entdecken und ihrer Spur ins Neue Testament zu folgen, um das Fundamentale, die „Wundermatrix“ herauszuarbeiten, ist der hermeneutische Steigbügel für ein tiefergehendes Verständnis.
Das gelang Herrn Prof. Steins auf eine fachlich herausragende Weise mit sympathisch – kollegialem Duktus, offen für unsere suchenden Anfragen. Wertvoll war ebenso die Entscheidung, den Mythos – Charakter der Bibel zu erarbeiten, um die „Wahrheitsfrage“ nachhaltig anzugehen und dabei Antworten anzubieten. Dass der Bogen von der altägyptischen Hochkultur über die neuesten Forschungsergebnisse zum Exodus bis zu den jüdisch – christlichen Wendepunkten gespannt wurde, ordnete viele eigene Kenntnisse zum Teil neu. Hier sei nur auf die aktuelle wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Bedeutung der Tempelzerstörung 70 n. Chr. in Jerusalem hingewiesen.
Die Wundererzählungen haben sich immer mehr als gesamtbiblische Thematik gezeigt, die in den großen biblischen Zusammenhängen gesehen werden und entschlüsselt werden muss. Und in diesem Prozess findet unweigerlich die Entwicklung des Volkes Gottes Ausdruck als sich stets im Erleben und Erinnern befindliche Glaubensgemeinschaft in wechselseitigen Rezeptionen zwischen Bibel, Volk Gottes und wiederum Bibel.
Für den Schulalltag waren die Arbeitsschritte mit ihren Ergebnissen von grundlegender Bedeutung, verhalfen zu mancher erweiterten Perspektive auf scheinbar Bekanntes. Und einige methodische Übungen, die wir in Kleingruppen oder im Plenum vollzogen haben, sind durchaus alltagstauglich, um im Unterricht mit und weniger über eine Textstelle mit den Schüler/-innen zu arbeiten. Hier konnte Herr Prof. Dr. Steins der literarische Kunst einzelner Texte, ihrer biblischen Prägnanz wie ihrer inhaltlich fundamentalen Züge eine Bühne schaffen. So kann es gelingen, „weise zu werden durch die Betrachtung der Erfahrung von Menschen im Glauben“ (Prof. Dr. Steins). Und das ist letztlich, was (nicht nur) die Wunder in der Bibel aufzeigen (können): Die großen Lebensfragen nach Macht und Ohnmacht, Ängsten, Leid und der Erlösung davon in der Spannung zwischen Leben und Tod nicht nur zu stellen, sondern auch Hoffnung und Antwort zu geben. „Wunder als Beziehungstat“ – in größter existentieller Not erfolgt der „Anschrei“, die Klage des Menschen an seinen Gott, der sich zuwendet und ihn damit erlöst, befreit (Wunder). Wer das erlebt, dankt Gott und lobt ihn im letzten Schritt der „Wundermatrix: Im AT (PS 107) genauso wie im NT (Bartimäus) – und gibt mit seinem Leben Zeugnis vom Wunder-, vom Heilswirken Gottes am Menschen. Im rituellen Begehen der Überlieferung schließlich kann die Glaubensgemeinschaft, können wir den „Mythos“ in Raum und Zeit vergegenwärtigen, ihn erleben und tradieren.
Für diese fachlich wie atmosphärisch tolle Arbeit mit uns danken wir Herrn Prof. Dr. Steins herzlich!
Ebenso gilt unser Dank Hwst. Herr Weihbischof Florian Wörner: Er hat durch sein Kommen ab Freitag Mittag seine Wertschätzung für unseren schulischen Einsatz gezeigt, in persönlichen Gesprächen wie im Plenum. Der Gottesdienst mit ihm gibt Kraft für die nächsten Wochen an den Schulen. In seiner Predigt ging ein, was am Nachmittag aus der Wunderhermeneutik besprochen wurde. Dem Gottes-dienst – Team, B. Dolatschek als Organist, und unserem Kollegen Müller Gerd für das Morgenlob ein herzliches „Vergelt´s Gott!“
Dass die Tagung vom einzigartigen Ambiente von St. Ottilien in voller Frühlingslaune (Sonne, blühende Landschaften) umrahmt wurde, muss fast schon nicht mehr eigens erwähnt werden!
Herzlichen Dank an alle für Ihr Kommen und Engagement!
StD i. K. Meinrad Hörwick, Referent Berufsbildende Schulen, Diözese Augsburg