Tag der Religionslehrer/-innen 2019

„Den Wandel gestalten. Zukunft Religionsunterricht im Blick: Positionen – Perspektiven – Praxis“, so lautete das zentrale und herausfordernde Thema beim diesjährigen diözesanen „Tag der Religionslehrerinnen und Religionslehrer“. Zusammen mit Hauptabteilungsleiter Weihbischof Florian Wörner durfte die Abteilung Schule und Religionsunterricht mit ihrem Leiter Bernhard Rößner dazu fast 200 Gäste, Arbeitskreisleiter/-innen sowie den Hauptreferenten Prof. Dr. Konstantin Lindner im Haus Sankt Ulrich begrüßen. Unter den Teilnehmenden befanden sich wie in früheren Jahren auch Ministerialbeauftragte der verschiedenen Schularten, Vertreter/-innen des Katholischen Büros Bayern, des Religionspädagogischen Zentrums in Bayern (RPZ), des Münchner Staatinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) sowie anderer schulischen Einrichtungen und wichtiger Fachverbände.

Einführung

Wie Rößner in seiner Begrüßungsrede umriss, wandle sich derzeit das gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Umfeld für den Religionsunterricht so tiefgreifend, dass man von einer „Schwellensituation“ sprechen könne. Vor diesem Horizont und im Ausblick auf die kommenden Jahrzehnte gelte es, Chancen und Wege des Religionsunterrichts sowie seine orientierende Bedeutung für junge Menschen auszuloten, die auch angesichts künftiger Herausforderungen tragfähige Hoffnungsperspektiven aus dem Glauben eröffne. Zudem werde über diesen das christliche Menschenbild in die offene Gesellschaft eingebracht - als religiöser, sinnstiftender und ethischer Anspruch, um in veränderten Kontexten Humanität zu bewahren und zu fördern.

Für die Gestalt des Religionsunterrichts nannte er drei Leitaspekte, die gegenwärtig einen auch von den deutschen Bischöfen mitgetragenen Konsens bildeten: als Basis eine konfessionelle und somit positionsbezogene Grundausrichtung, eine kontextuelle Prägung, die heterogene Lebenswelten der jungen Menschen berücksichtige, sowie eine kooperative Dimension gerade im Blick auf andere christliche Konfessionen, die sich deutschlandweit – vor allem regional und durch die Gegebenheiten vor Ort bedingt – in unterschiedlichen Graduierungen und Formen zeige. Im Rahmen dieses Argumentationsfeldes gebe es jedoch differente Standpunkte, die – durchaus auch kontrovers – zu diskutieren seien.

Auf den Vortrag des Hauptreferenten überleitend brachte das Impro-Theater „spieltrieb96“ (Helga Schuster, Stefan Trapp) in szenisch-karikierender Weise unterschiedliche Religionslehrertypen zur Darstellung und überprüfte diese humorvoll auf ihre Zukunftstauglichkeit.

Leitreferat und Gesprächsaustausch

In seinem trotz hohen Anspruchs kurzweiligen und stets adressatenbezogenen Referat „Religion zukunftsfähig unterrichten. Anspruch und Perspektiven“ führte Prof. Dr. Konstantin Lindner, Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik und Religionsdidaktik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, zunächst die künftigen Herausforderungen für den Religionsunterricht näher aus: abnehmende religiöse Primärsozialisation, religiöse Pluralisierung und insbesondere die stark zunehmende Anzahl konfessionsloser Schülerinnen und Schüler, auch im Religionsunterricht. Dies untermauerte er anhand religionsdemographischer Prognosen. Zudem wies er auf den in der Gesellschaft herrschenden Mainstream der ökonomischen Rationalität, eines naturwissenschaftlich geprägten Weltzugangs und die Prozesse einer umfassenden Digitalisierung hin; merklich gewännen auch Populismen und Nationalismen als Gegenbewegung zur Globalisierung Bedeutung.

In einem zweiten Schritt verdeutlichte Lindner in diesen Kontexten die Potenziale des Religionsunterrichts, die den zunehmend virulenten und individualisierten Orientierungsbedürfnissen der „Generation Z“, der „digital natives“, gerecht werden müssten: eine plausible und personal geprägte Erschließung eines religiösen Weltzugangs, die damit verbundene Sinn- und Wertebildung aus einer transzendenzbezogenen Dimension, aber auch die De-/Codierungskompetenz im Blick auf die inkulturierte Religion.

Um diesen Anforderungen schulisch entsprechen zu können, schlug Lindner unterschiedliche Justierungen vor. Diese beträfen Gegenstandsbereiche und Kompetenzperspektiven der Lehrpläne, eine Kultivierung der Reflexionsfähigkeit in religiösen Fragen, im Blick auf korrelative Prozesse insbesondere die Fähigkeit zu Perspektivenverschränkung und -wechsel. Zudem sei es vonnöten, originale Begegnungen mit gelebter Religion zu intensivieren und religiöse Sprachformen reflektiert zur Geltung zu bringen. All dies erfordere - zumindest in besonderen Situationen – auch veränderte unterrichtliche Organisationsformen auf konfessionell-kooperativer und differenzsensibler Basis.

Lindner ermutigte die Lehrkräfte immer wieder zu verantworteter Positionierung aus dem eigenen Glauben heraus und wies zugleich darauf hin, dass die vorgestellten Maßnahmen hohe Anforderungen an Lehrerbildung und -fortbildung auch im Blick auf theologische Expertisefähigkeit mit sich bringen würden.

 

Nach Szenen des Impro-Theaters, die Gedanken zum Vortrag visualisierten, bot sich den Teilnehmenden im Gesprächsaustausch, den der stellvertretende Abteilungsleiter Dr. Joachim Sailer moderierte, die Gelegenheit, eigene schulische Erfahrungen mit Anfragen an den Referenten zu verbinden.

Arbeitskreise

Prof. Dr. Lindner stand auch in einem Workshop vielen ergänzenden Anfragen Rede und Antwort. In zahlreichen weiteren Arbeitskreisen eröffneten sich Chancen, praxisnahe und zukunftsfähige Ansätze kennenzulernen und zu diskutieren. Neben unterrichtlichen Zugängen, sich dem elementaren Thema Jesus Christus anzunähern, bezogen sich die Workshops insbesondere auf die Begegnung mit religionsfernen Lebenskulturen, die religiöse Auseinandersetzung mit modernen digitalen und medialen Welten, das Theologisieren mit jungen Menschen, Formen erweiterter konfessioneller Kooperation, Ansätze einer schülergemäßen Spiritualität und Möglichkeiten von wertbezogenen und religiösen Ganztagsangeboten.

Abschließender Gottesdienst

Im feierlichen Gottesdienst, den Weihbischof Florian Wörner zelebrierte, setzte er in seiner Predigt Jesus Christus als „salvator mundi“ in den Mittelpunkt (Petel-Statue in der Augsburger St.-Moritz-Kirche), der auch künftig und bei allen Wandlungen das Maß des Religionsunterrichts bleibe. Der Heiland komme einladend und bestärkend auf die Menschen zu und verbinde die göttliche Transzendenz erlösend und aufhelfend mit den alltäglichen Lebenswelten und Belastungen, auch in der Schule. Ausdrücklich bedankte sich Weihbischof Wörner, auch im Namen unseres Bischofs Dr. Konrad Zdarsa, für die von den Religionslehrkräften in den verschiedenen Schularten geleistete und oft sehr schwierige unterrichtliche Arbeit und ermutigte sie, auch weiterhin beherzt ihren Auftrag von Jesus Christus her anzunehmen. Musikalisch frisch und beschwingt gestaltet wurde die Messfeier von Lehrerseelsorger und Komponist P. Norbert M. Becker MSC, der eine Gesangs- und Musikgruppe um sich geschart hatte (Kerstin Kaß, Dr. Kristina Roth, Benedikt Zanker), welche die Lieder begeisternd erklingen ließ.

Fotos: Meinrad Hörwick, Dipl. Theol., Referent für Berufsbildende Schulen, Diözese Augsburg