Nehmen die virtuellen Medien religiöse Themen auf, um sie in ihrer eigenen Symbolik neu zu erzählen – oder werden ganz neue Mythen und Erzählungen geschaffen? Eine spannende Fragestellung: beides trifft zu, folgt man den fundierten sowie konzeptionell überzeugenden Ausführungen von Dr. Wörther, der Hauptreferent der Tagung war.
Sein profundes und zugleich hervorragend strukturiertes Kompendium an Wissen, Einschätzung und kritischer Reflexion der virtuellen Medien im Hinblick auf religiöse Themenbereiche, Symbole, archetypischen Sehnsüchte und Erzählungen zeigt, dass vieles zu entdecken ist: Eine Tasse findet Eingang in einen Kreis von Gläsern – so „einfach“ kann die Perikope von Bartimäus in neuer Ausdrucksform skizziert werden (Low Budget Kurzfilm). Urmenschliche und religiöse Motive finden sich in den Spielfilmen wieder, wenn „Avatar“ einen ganzen Bogen von Themen wie Menschwerdung, Transformation, Kampf zwischen Gut und Böse, Macht der Liebe und anderen ähnlichen Motiven aufspannt.
So wird die Pflege der neuen Medienwelt zusammen mit den Schülern zu einer vordringlichen Aufgabe des Religionsunterrichts: der Mensch erfindet sich neu, erzählt die „alten“ Geschichten mit modernen Bildern und Sprachen. Zugleich definiert sich der Nutzer selbst, managt sein eigenes Bild, das er in eine breite Öffentlichkeit stellt (Social Networks wie Facebook sind rund um die Uhr weltweit präsent). Wer bin ich? Worüber definiere ich mich? Welche Sehnsüchte habe ich? Und: wo werden diese aufgenommen? In einer Interview-Einspielung mit Bischof Marx äußert dieser dezidiert die Notwendigkeit, dass in der virtuellen Welt Kirche und ihre Mitarbeiter präsent sein müssen. Eine Chance, Menschen (gerade Jugendliche) zu erreichen und mehr noch, mit ihnen zusammen die Gegenwart zu gestalten – und damit für die Zukunft christliche Akzente zu setzen. Realität und Virtualität verschränken sich zunehmend, stehen sich nicht gegenüber; damit definiert sich „Wirklichkeit“ ganz neu.
In diesem Sinne sind wir Religionslehrer als Missionare auf den Weg geschickt (an einem so bedeutenden Ort der Benediktiner!), zugleich aber können die Schüler Missionare im Experimentierfeld Schule für uns sein: diese komplexe virtuelle Medienwelt lässt sich am besten mit den jugendlichen „Fachleuten“ erschließen – die auf der Suche nach sich, dem Sinn und der eigenen Verortung in ihrer Lebenswelt sind. Dass dies gelingen kann, hat uns Dr. Wörther mit vielen Impulsen aufgezeigt: Symbole, Fragen, Sehnsüchte und Mythen der Menschen erfinden sich nicht neu, sie stehen in der Tradition der jeweiligen kulturellen Geschichte – so verwundert nicht, dass in dem genialen Streifen „The Story of the Nativity“ die Geburt Jesu im Facebook – Stil rezipiert wird und dabei so manche sehr traditionelle Chiffre auftaucht…
Die Feststellung, dass sich die Verfügbarkeit von Internet und das Vorkommen von Gewalt in den Ländern der Welt diametral gegenüber stehen, ist aufschlussreich: nicht alle Missstände sind der digitalen Welt geschuldet. Es gilt, einen unvoreingenommenen Blick auf die neue Wirklichkeit zu werfen. Zurückdrehen lässt sich das Rad der Zeit sowieso nicht.
„St. Ottilien“ wäre nicht „St. Ottilien“, wenn nicht die Begegnung, das Innehalten, das Miteinander zum Tragen kämen: im Gottesdienst genauso wie am Abend im lockeren Kreis. Es sind die vielfältigen Ebenen, die uns Kraft und neue Impulse mit auf den Weg geben. Dieser Weg wird seit dem laufenden Schuljahr von StD Bernhard Rößner, dem neuen Leiter der Hauptabteilung Schule und Bildung, geprägt: er hat sich nicht nur vorgestellt, sondern sein Interesse und seine Wertschätzung schon dadurch nachhaltig gezeigt, dass er mit vielen in das persönliche Gespräch gegangen ist und die Tagung mit uns zusammen verbracht hat. Herr Bernhard Rößner ist durch seinen Werdegang für seine neue Position ideal prädestiniert: StD am Michael-Sailer-Gymnasium Dillingen, Fachberater des Kultusministeriums für Kath. Religion an Gymnasien, wissenschaftlicher Referent am religionspädagogischen Zentrum Bayern in München und am ISB, um nur einige wichtige Stationen zu nennen.
Die Vorstellung des VKR durch dessen Bundesvorsitzenden Herrn Heinrich passt in diesen Rahmen – die Solidarität unter den Lehrkräften für Kath. Religion ist besonders an den Berufsbildenden Schulen von zukunftsweisender Bedeutung. Deshalb ist Herrn Heinrich zu danken für den Weg aus Köln zu uns. Ebenso gilt es Herrn Dr. Ferdinand Herget für seinen unermüdlichen Einsatz am RPZ in München zu danken; er ist jedes Jahr in St. Ottilien und hatte für diese Tagung die Idee, Herrn Dr. Wörther anzufragen.
Herr Biller, neuer Fachmitarbeiter bei der Regierung von Oberbayern und an der BS Freising als Lehrer tätig, konnte sich ebenso vorstellen wie auch Lehrer-Seelsorger P. Norbert Becker, der uns auf ansprechende Weise spirituell begleitet hat.
Jahrestagung 2012: 11. / 12. Mai in St. Ottilien (Globale Sicherheit und Gerechtigkeit)
© Dipl. Theol. Meinrad Hörwick, Referent f. Berufsbildende Schulen,
Diözese Augsburg, 30.05.2011