Interreligiöser Dialog: biografisch – musikalisch – kulinarisch – tiefgründig
Shalom, Salam Aleikum und Grüß Gott waren am vergangenen Sonntag zu im Pfarrzentrum St. Ulrich und Afra zu hören, als sich die Gäste am Sonntagnachmittag zu einem besonderen Treffen eingefunden hatten. Drei Gesprächspartnerinnen aus dem jüdischen, christlichen und muslimischen Glauben gaben auf sehr persönliche Weise Einblicke in ihren eigenen Weg zum Glauben, in ihr Verständnis von religiöser Bildung und in ihre Sichtweise darauf, warum junge Menschen – ganz im Sinne des Veranstaltungstitels – „gehen und lernen sollen“.
Michaela Rychlá – jüdische Religionspädagogin, Verfasserin der ersten Schulbücher für den jüdischen Religionsunterricht in Bayern und Künstlerin – gab zunächst einen sehr bewegenden Einblick in ihre persönliche Lebens- und Glaubensgeschichte. Aufgewachsen unter dem Einfluss eines kommunistischen Regimes, kannte sie bis ins junge Erwachsenenalter ihre eigene Religion nicht, spürte jedoch eine tiefe Sehnsucht nach Antworten. Erst nach ihrer Ausreise in den Westen erarbeitete sie sich durch Bücher, Studium und intensive Auseinandersetzung ein religiöses Wissen zum Judentum. Zugleich wuchs sie in die religiöse Praxis des Judentums hinein und machte in den Jahren danach die Weitergabe des Glaubens zu ihrer Passion. Bis heute unterrichtet sie in München jüdische Schülerinnen und Schüler, sieht sich im Kontakt mit jungen Menschen aber auch als eine Begleiterin in persönlichen Fragen, die sie gerne auch mal „bei einem Kaffee oder Kakao“ bespricht. Auf sehr lebendige Weise machte sie deutlich, dass Bücher und der eigene Erwerb von Wissen über den Glauben für sie als junge Frau lebensnotwendig waren, um zu ihren Wurzeln zu finden.
Ganz anders der Weg von Dr. Kristina Roth, Leiterin der Abteilung Schule und Religionsunterricht im Bistum Augsburg, die zudem an einem Förderzentrum Religion unterrichtet und ehrenamtlich junge Menschen in der pastoralen Arbeit der Pfarrei begleitet. Aufgewachsen in einer katholischen, mit der Pfarrei intensiv verbundenen Familie, erlebte sie den Glauben immer in der engen Verbindung mit Familie, Pfarrei und auch der katholischen Schule, vor allem aber in der Einheit aus Wort und Tat. Dies und überzeugende Persönlichkeiten auf ihrem Lebensweg motivierten sie, sich auf den Weg zu machen, selbst den Glauben weiterzugeben und zur Sprache bringen zu wollen, ganz im biblischen Sinne von 1 Petr 3,15 „Gebt stets Rechenschaft von der Hoffnung, die euch trägt.“ Bis heute ist für sie die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geprägt davon, voneinander zu lernen, Fragen stellen zu dürfen und sich auszutauschen, aber auch konkret ins Handeln zu kommen, um für den Nächsten da zu sein.
Fragen, in Frage stellen, Zweifeln, Reflektieren, all das hat den Weg der dritten Gesprächspartnerin, Dr. Selcen Güzel, geprägt. Aufgewachsen in einer sogenannten Gastarbeiterfamilie, erlebte sie in ihrer Familie ein großes Interesse an Bildung, jedoch auch die Schwierigkeit, dass ihr gerade im Blick auf ihre Religion, den Islam, oftmals keine ausreichenden Antworten auf ihre Fragen gegeben werden konnten. Nach dem Studium der Psychologie, Erziehungswissenschaften und amerikanischer Literaturgeschichte bot sich ihr die Möglichkeit, islamische Religionspädagogik zu studieren, und dort erfuhr sie auf ganz neue Weise, dass sie ihren Glauben reflektieren und ins Gespräch bringen konnte. Bis heute ist es ihr daher ein großes Anliegen, Räume für junge Menschen in der Schule oder universitären Lehre zu schaffen, die offen sind zur Diskussion, zum Fragenstellen und für eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. Sie selbst betonte in ihren Ausführungen, dass Glauben Wissen braucht, um reflektiert und fundiert in den Dialog treten zu können.
Nach einem „interreligiösen Snack“ mit Leckereien wie Datteln, Hummus, Fladenbrot, Oliven und Johannisbeersaft ermöglichte der zweite Teil der Veranstaltung, die drei Religionspädagoginnen untereinander und mit den Besucherinnen und Besuchern der Veranstaltung ins Gespräch zu bringen.
Michael Rösch, Pastoralreferent der Katholischen Hochschulgemeinde, moderierte den zweiten Teil des Nachmittags, der von musikalischen und lyrischen Beiträgen aller drei Religionen umrahmt wurde. Seine Fragen motivierten zu einem regen Austausch über die Rolle der Frau in allen drei Religionen, die Frage, welche Bedeutung der Heilige Geist heute haben kann und welche Wege es gibt, junge Menschen auch heute noch für den Glauben zu begeistern.
Markus Schütz, Leiter des Bereichs kirchliche Bildungsarbeit der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Augsburg, der die Gesamtleitung und Organisation dieser Veranstaltung innehatte, dankte nach kurzweiligen dreieinhalb Stunden für einen Nachmittag mit vielen persönlichen, berührenden, aber auch impulsgebenden Gedanken, die ermutigen, im Dialog zu bleiben und sich selbst immer als Lernende zu erleben.