Jahrestagung Berufsbildende Schulen 2018, St. Ottilien

Wir leben von Werten, nicht von Messwerten. Wie kann uns die Wissenschaft helfen, das Richtige zu tun?

„Erst kommt der Urknall und dann kommt die Moral!" Eine von vielen prägnanten Headlines, mit denen Herr Prof. Harald Lesch seinen Vortrag auf den Punkt gebracht hat. Prof. Lesch vorzustellen ist kaum nötig, da er aus Fernsehbeiträgen („Leschs Kosmos" u. a.) bekannt und beliebt ist: Als profunder Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (Lehrstuhl für Astronomie und Astrophysik – Beobachtende und experimentelle Astronomie an / bei der Universitätssternwarte) vermittelt er hoch komplexe Themen verständlich und spannend.
    

Nicht sofort präsent mag sein, dass er außerdem Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie München lehrt. Unterhaltsam erzählte er, wie in seiner Biographie der Wunsch, an die Uni Bonn zu gehen, (Gott sei Dank!) gescheitert ist und er so in München geblieben ist. Im Nachgang hat dann eine Begegnung mit dem Jesuitenpater Prof. Kummer entscheidende Weichen gestellt. So waren sein Weg zur Philosophie und damit der Blick auf eine grundlegende ethische Perspektive aus dem Haus der Naturwissenschaften heraus angebahnt. Die im Titel der Tagung gestellte Frage ist somit folgerichtig für Prof. Lesch: Nicht die Messwerte sind entscheidend, sondern diese müssen zur Grundlage für ein nachhaltiges Denken und Handeln der Menschen auf ihrem Planeten Erde werden! Dieser Imperativ, verantwortlich im Sinne einer ökologischen „Bewirtschaftung" des Lebensraumes zu handeln, zog sich als roter Faden durch die gesamte Tagung. Prof. Lesch ist zurück aus den Tiefen des Weltalls, titelt sinngemäß der Klappentext seines aktuellen Bestsellers „Die Menschheit schafft sich ab". Er wendet sich mit klarer „Kante" appellativ an uns alle, die Zeichen der von rein ökonomischen Gesichtspunkten getriebenen Gesellschaften nicht nur endlich (als drohende apokalyptische Menetekel) wahrzunehmen, sondern dagegen mit „Heldengeschichten" vorzugehen: Als Multiplikatoren im Unterricht müssen wir diese Themen konsequent und didaktisch klug angehen.

Höchst eloquent, tiefsinnig und zugleich unterhaltsam präsentierte er die neuesten Forschungsergebnisse und - teilweise auch (professionell!) kabarettistisch – ihre ethischen Problemanzeigen. Dabei ging er auf die Fragen und Anliegen der Teilnehmer/-innen fortwährend ein, sodass sich ein dynamischer Dialog entwickeln konnte. Dem Parforceritt durch die Wissenschaftsgeschichte (und 4,5 Mrd. Erdgeschichte) schlossen sich einzelne Problembereiche an. Angesichts der Fülle möglicher Bedrohungen (z. B.) aus dem virtuellen Raum - die von Prof. Lesch so bezeichneten „Silicon-Valley-Boys" scheinen tatsächlich zu glauben, wir leben in einer Art „Simulation" (was ihn zu filmreifer Satire auflaufen ließ) – könnte einem der Glaube an das Gute vergehen. Dagegen stellte er den christlichen Appell „Fürchte dich nicht!", denn es braucht dringend die Furchtlosen, die (als Exempel angeführt) die Enzyklika „Laudato si" in Umlauf bringen, sie fruchtbar machen als Matrize verantwortlichen Denkens und Handelns!

War Wissenschaft bis vor ca. 150 Jahren noch philosophisch ausgerichtet, markiert die Wende nach Newton die Weichenstellung zu einer Entwicklung, an deren „Ende" heute eine rein ökonomische Sicht auf die Welt steht. Was machbar ist, wird gemacht ... solange und weil es geldwerten Vorteil bringt. Unter diese Prämisse haben sich alle Lebensbereiche gestellt: Umgang mit natürlichen Ressourcen, menschliche Arbeitskraft, Lifestyle, Erzeugung von Nahrungsmitteln u. v. a. Dabei kann die Philosophie wieder eine Mittlerrolle einnehmen in einer Welt, in der allem Anschein nach die naturwissenschaftliche Forschung mit ihrem neuzeitlichen Selbstverständnis einer beobachtenden Wissenschaft die Deutungshoheit über die Wirklichkeit (und damit die „Wahrheit"?) gleich mit übernommen hat. Die Philosophie ist als Erklärerin in verständlicher Form gefordert; zudem kann und muss sich die Religion mehr positionieren und helfen, diese Wirklichkeit in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Was machen wir mit dem, was wir wissen? Diese Anfrage ist Zentrum des Anliegens von Prof. Lesch. Längst haben die Erkenntnisse der Quantenmechanik Einzug gehalten in unseren Alltag: Smartphone und GPS benutzen wir, ohne zu wissen, wie es funktioniert. Wenn es aber Menschen gibt, die neue Technologien öffnen, um Daten abzuschöpfen, Meinungen und damit sogar politische Wahlen zu manipulieren, am Ende sogar denken, dass die Welt eine große Simulation ist, in welcher Menschen sogar hinter der sich selbst weiterentwickelnden Maschine („selbstlernende Programme") zurückbleiben ..., dann hilft nur noch, jetzt und sofort geistigen und pädagogischen Widerstand zu leisten!

 

Am Samstag konnten wir in Arbeitsgruppen einzelne Themen vertiefen und unterrichtlich umsetzen, sodass die Tagung mit didaktischen Ideen schließen konnte, die helfen, diesen Auftrag einer umfassenden, kritischen Bildung an den Schulen weiter einzubringen.

Dass St. Ottilien im Mai ein hervorragender Tagungsort ist, mitten in reichhaltig blühender Landschaft, mag sonst einer Randnotiz gleichen; bei unserer Thematik jedoch führt die Natur zugleich höchst anschaulich ihren „Wert" vor Augen! Damit zeigt sich „unser" St. Ottilien wieder einmal als Quelle neuer Kraft und Zuversicht. Die mönchische Gemeinschaft nimmt uns in dieser Zeit gastfreundlich auf, vermittelt Ruhe inmitten der Alltagsanforderungen. Daran hat Erzabt P. Wolfgang als treuer spiritueller Begleiter großen Anteil: Der Gottesdienst am Freitag Abend wirkt tief und weit in die folgende Zeit mit ihren Herausforderungen hinein. Herzlichen Dank und „Vergelts Gott" dafür, lieber Wolfgang!

Nach 45 Jahren im Dienst der Diözese, den Großteil als Religionslehrer an Beruflichen Schulen, haben wir unseren Weggefährten Gerd Müller (BS Neu-Ulm, Illertissen) verabschiedet – eine enorm lange Zeit, voller Begeisterung und höchstem Engagement für „seine" Schüler und Schülerinnen geht erfolgreich zu Ende. Wenn jemand in diesen Beruf passte, dann du, lieber Gerd! Dass du uns zudem mit einem stillen, zur Einkehr ladenden „Morgenlob" (nicht nur heuer) in den Samstag geschickt hast, verdient zudem großes Lob. Alles erdenklich Gute für dich und deine Familie, Gottes Segen!

Zum Schluss sei allen gedankt, die dabei waren, für das (wie immer) hervorragende Mitarbeiten, das engagierte Teilnehmen und die Unterstützung bei einer Tagung, die improvisieren musste, da der Referent Prof. Lesch aus zwingenden familiären Gründen statt an beiden Tagen kurzfristig „nur" am Freitag da sein konnte.

Dass einige Schulleiter für halbe Tage dabei waren, freut sehr: Unsere Arbeit über den täglichen Schuleinsatz hinaus kennen zu lernen und damit auch auf diese Weise wertzuschätzen bedeutet viel!

Herr OStD Bernhard Rößner, Leiter der Abt. Schule und Religionsunterricht der Diözese Augsburg, unterstützt nicht nur fortwährend unsere Arbeit an den Beruflichen Schulen, sondern ist auch in diesem Jahr wieder in St. Ottilien gewesen: In seinen Statements wurde einmal mehr deutlich, dass der BSRU mit seinen hoch engagierten Lehrkräften eine besondere Wertschätzung erfährt und große Bedeutung im Bildungswesen hat.

Und ebenso wie immer dabei, last but not least: Dr. Ferdinand Herget, Leiter des Religionspädagogischen Zentrums Bayern und selbst ehemaliger langjähriger Religionslehrer an Berufsschulen, die Fachmitarbeiter (und Religionslehrer) der Regierungen Schwaben (Herr OStR Hattler, seit 2017 / 18 neu) sowie Herr StD Biller (Oberbayern) sind wichtige Gesprächspartner und Fachleute für den BSRU!

Herzlichen Dank an alle für Ihr Kommen und Engagement!

StD i. K. Meinrad Hörwick, Referent Berufsbildende Schulen, Diözese Augsburg