Impuls zur Fastenzeit

von Frau Prof. Dr. theol. Brigitte Fuchs

„In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste…“ (Mk 1,12) 

So beginnt das Evangelium des 1. Fastensonntags.

Der Geist, lateinisch Spiritus, ist eine Übersetzung des hebräischen   ["ruach"], das bedeutet Wind, insbesondere die Kraft, die im Wind begegnet. Fast alle Verben, die aus diesem Wort abgleitet sind, sind Verben des In-Bewegung-Setzens. Deshalb liest man diesen Begriff in der Bibel häufig, wenn es darum geht, deutlich zu machen, dass Gott in einem Menschen wirkt und ihn in Bewegung setzt.

Hebräisch „ruach  ist verwandt zu Rechem = Gebärmutter und Rachamim = Barmherzigkeit. Der Geist ist also auch die barmherzige Liebe.

Was wirkt auf mein Verhalten ein? Was setzt mich in Bewegung?

Die Psychologie spricht von inneren Antreibern. Innere Antreiber sind Aufforderungen an uns selbst, die wir verinnerlicht haben: Beeil dich, sei perfekt, optimiere dich, kümmere dich, sei beliebt, streng dich an, sei stark und anderes mehr. Oft ist uns nicht bewusst, wie sehr sie unsere Verhaltensweisen bestimmen.

Lassen wir uns von unseren inneren Aufforderungen dominieren, versuchen wir die körperlichen „Aufhalter“ wie Müdigkeit, Schlafbedürfnis, Erholungsbedürfnis zu ignorieren, damit keine Zeit verloren wird. Die inneren Antreiber können uns so sehr unter Druck setzen, dass wir uns selber und anderen gegenüber rücksichtslos werden.

 

„In jener Zeit trieb der Geist Jesus in die Wüste…“ (Mk 1,12) 

Die Wüste steht in der Bibel für einen Ort, der ans Licht bringt, wer wir eigentlich sind, für einen Ort, der verändern und verwandeln kann.

Die Wüste ist ein Ort, an dem wir unsere inneren Antreiber, unsere Motivationen und Verhaltensweisen hinterfragen können. Welche inneren Antreiber treiben mich an? Was will ich damit erreichen? Anerkennung, Beliebtheit, Erfolg? Wohin treiben sie mich? Beginnen wir, uns zu hinterfragen, gewinnen wir Selbstdistanz, die uns helfen kann, den Druck der inneren Antreiber zu lockern.

Die Wüste steht für einen Ort, an dem eine intensive Begegnung mit Gott möglich ist. Dort kann ich auch erfahren: Ich muss nicht immerperfekt sein, ich darf auch mal Fehler machen, ich darf mir immer wieder auch die Zeit nehmen, die ich brauche, ich darf auch Rücksicht auf mich selber nehmen, ich muss nicht alles einsetzen, um anerkannt und geliebt zu werden, da ich vor aller meiner Anstrengung von Gott angenommen und geliebt bin.

Dann wird auch wieder Raum für das Wirken des Geistes in mir, Raum dafür, dass wir uns treiben lassen, nicht von unseren inneren Antreibern, sondern von der  ["ruach"], von der Kraft des barmherzigen Geistes.